Boom-Region wie schon lange nicht mehr

 

Was macht eine starke Wirtschaft und Wissenschaft mit einer Stadt, Herr Bösenberg?

Frank Bösenberg ist seit elf Jahren Managing Director vom Silicon Saxony. Der Verband der Halbleiter- und Software-Industrie ist mit über 550 Mitgliedern das größte Hightechnetzwerk Sachsens, einer der größten IKT-Standorte Deutschlands sowie der größte Mikroelektronik-Standort in ganz Europa. Jeder dritte in Europa produzierte Chip trägt den Aufdruck „Made in Saxony“. Was das für die Region bedeutet und welche Weichen für Dresdens Zukunft mit den neuesten Erfolgen gestellt wurden, erzählt uns Herr Bösenberg im Interview.

 

Herr Bösenberg, wenn wir vom Silicon Saxony und seinen Mitgliedern sprechen: Von welchen Regionen, Unternehmen und Themen im Schwerpunkt ist dann die Rede?

„Der Silicon Saxony verbindet seit seiner Gründung im Jahr 2000 Hersteller, Zulieferer, Dienstleister, Hochschulen/Universitäten, Forschungsinstitute, öffentliche Einrichtungen sowie Startups. Der thematische Fokus liegt auf der Halbleiter- und Softwareindustrie, die sich den technologischen Trends der Gegenwart und Zukunft widmen. Dazu gehören zum Beispiel Künstliche Intelligenz, Robotik, Automatisierung, Sensorik oder Energieeffizienz. Die Mitglieder des Silicon Saxony befinden sich hauptsächlich in Sachsen, insbesondere im Raum Dresden, Chemnitz, Freiberg und Leipzig.“

 

Hat unter den Standorten einer die Nase vorn?

„Beim Blick auf die Karte, auf der die Firmenansiedlungen der Mitglieder eingezeichnet sind, stellt man ganz klar fest, dass der Mittelpunkt Dresden ist, speziell das Gewerbegebiet im Norden. Dresden hat mit aktuell fünf und bald sieben Chipwerken ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal: BOSCH, GLOBALFOUNDRIES, XFAB und SAW Components Infineon und – ab 2025 bzw. 2027 – auch JENOPTIK und TSMC werden nicht nur maßgeblich zur Halbleiterversorgung in Deutschland beitragen, sie werden auch in der Region für viele positive Veränderungen, aber auch Anforderungen sorgen. Grundsätzlich aber sind die Ansiedlungen und Entscheidungen für die geplanten Bauvorhaben der Chipwerke große Erfolge. Sie sprechen für Dresden als attraktiven Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort. Ich erinnere mich noch an die Anfänge der Halbeiterindustrie in Dresden, die schon in den 90er Jahren mit dem Aufkommen von Siemens und AMD einen Höhepunkt gefeiert hat. Mit den neuesten Ansiedlungen geht ein weiterer enormer Wachstumsschub für Dresden einher, der unseren Standort zur Boom-Region wie schon lange nicht mehr macht und die Weichen für die nächsten 20 Jahre der Wirtschaftsregion gestellt hat.“

 

…womit wir bei dem Punkt sind, den Sie gerade andeuteten: positive Veränderungen, aber auch Anforderungen. Welche meinen Sie?

„Nehmen wir beispielsweise die Ansiedlung von TSMC. Ein solch großes Werk mit einem entsprechend hohen Produktionsvolumen sorgt für Beschäftigung. Circa 2.000 Arbeitsplätze sollen entstehen. Das hat natürlich eine immense Sogwirkung auf Leute von außerhalb, die Dresden im Idealfall nicht nur als Arbeitsort, sondern als Lebensmittelpunkt für sich selbst und ihre Familien betrachten sollen. Und schon sind wir bei wichtigen Themen wie Wohnraum, bezahlbaren Mieten, Infrastruktur, Anbindung, Sportplätzen, Fahrradwegen, Kinderbetreuung, Schulen und Bildung.“

 

Klingt nach dicken Brettern, die gebohrt werden müssen…

„Das sind Punkte, die bei den Dimensionen vielleicht herausfordernd sind, jedoch einen positiven Effekt auf die Stadtentwicklung haben. Hier braucht es ein Zusammenspiel aus Wirtschaft, Forschung und Politik. Wir dürfen dabei auch nicht vergessen, dass die Stadt Dresden mit dem Zuzug neuer Bürger nicht nur die 600.000 Einwohner-Marke knackt, sondern zudem noch internationaler wird. Bei der Gelegenheit möchte ich gern einflechten, dass wir mit der Dresden International University Anfang 2024 das 500. Mitglied im Silicon Saxony begrüßen durften (lacht).“

 

Internationalität und kulturelle Vielfalt: Themen, die Ihnen besonders am Herzen liegen?

„Ich liebe und lebe Internationalität. Das hat schon August der Starke im kulturellen Bereich so gehandhabt: Das Grüne Gewölbe mit den internationalen Schätzen, die Türckische Cammer oder die Porzellansammlung im Dresdner Zwinger mit chinesischem und japanischem Porzellan sind heute Besuchermagneten und neben weiteren Beispielen Zeugnisse von Dresden als Kunst- und Kulturmetropole mit europaweitem Ansehen. Ein internationales Bestreben scheint sich demnach nicht zum Schaden von Dresden ausgewirkt zu haben. Warum jetzt damit aufhören? Es macht die Stadt bunter, bringt Input, bereichert mit dem Blick von außen und fördert Austausch. Ich bin für eine Willkommenskultur, die es neuen Bürgern so leicht wie möglich macht, sich hier ein Leben aufzubauen.“

 

Denken wir zunächst nochmal deutschlandweit. Kann man Dresden mit Metropolen wie Frankfurt und Köln vergleichen?

„Ein Punkt fällt mir da sofort ein: Wir verfügen in Dresden speziell im Hochtechnologie-Bereich über gut bezahlte Beschäftigungsverhältnisse mit Wechsel und Aufstiegsmöglichkeiten: vor Ort und organisationsübergreifend. Das ist mit der Situation in der Bankenbranche in Frankfurt am Main oder der Medienbranche in Köln zu vergleichen. Doch würde ich gern auch mal die Fragestellung umkehren: Können sich Metropolen wie Frankfurt und Köln auch mit Dresden vergleichen? Da kommt man einfach nicht drumherum, die Schönheit von Dresden und demElbland sowie Umland hervorzuheben. Erich Kästners Worten kann ich demnach nichts hinzufügen: `Wenn es zutreffen sollte, daß ich nicht nur weiß, was schlimm und häßlich, sondern auch, was schön ist, so verdanke ich diese Gabe dem Glück, in Dresden aufgewachsen zu sein.` Dresden und seine Highlights sowie Naherholungsgebiete und Ausflugsziele wie die Sächsische Schweiz, Moritzburg, Meißen und Radebeul sind Treiber von Lebensqualität, die auch die künftigen Wahl-Dresdner beeindrucken werden. Deswegen müssen wir auch weiterhin das Umland einbinden.“

 

Man könnte fast meinen, Sie gehören zum Team der Dresden Marketing GmbH…

„Naja, streng genommen ist jeder Mensch, der hier lebt auch irgendwie ein Botschafter für die eigene Region. Ich selbst bin hier stark verwurzelt, habe hier studiert und bin – trotz kleinerer Unterbrechungen – bis heute der Stadt treu geblieben. Wenn ich mir die Entwicklung der Stadt so ansehe, reizt es mich, zu sehen, was in Zukunft noch alles drin ist. Fakt ist: Die Stadt wächst – als Tourismus-, Kunst- und Kultur-, Kongress-, Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort. Das muss sie auch, da das eine oftmals das andere bedingt. Genau daran möchte ich mitwirken, sowohl persönlich als auch mit dem Silicon Saxony Netzwerk. Womit wir bei unserem Mission Statement sind: Connect, Exchange, Grow. Für 2030 streben wir 750 Mitglieder und 100.000 Beschäftigte in dessen Branchen an. Bei den Potenzialen unserer Stadt blicke ich mit Zuversicht in die Zukunft und wüsste demnach nicht, was dem im Weg stehen sollte.“

 

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Frank Bösenberg berichtet stolz über den enormen Wachstumsschub und die Firmenansiedlungen in Dresden und der Region: “Die Weichen für die nächsten 20 Jahre der Wirtschaftsregion sind gestellt.”  (© Crispin-Iven Mokry)

 

Ich möchte die Welt in die Stadt holen und es Menschen, die hier ankommen, so leicht wie möglich machen.“
(Frank Bösenberg, Managing Director, Silicon Saxony)

 

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